Wenn dies die Geschichte eines Mannes, am Erfurter Hauptbahnhof sein sollte, dann hätte sie schon Jemand geschrieben. Aber wer ist Jemand? Was muss man tun, um Jemand zu werden. Muss man mit bestimmten Gaben & Fähigkeiten, auf die Welt gekommen sein? Muss man sie sich antrainieren? Üben, üben, üben. Wie ein Boxer, der jeden Tag, total verschwitzt und ausgelaugt, auf einen Boxsack einprügelt. Er Traniert seine Muskeln. Er trainiert seinen Geist. Aber reicht dies, um Jemand zu werden? Muss er in Wettkämpfen antreten? Muss er Wettkämpfe gewinnen?
Wer entscheidet, wer einen Wettkampf gewonnen hat? Der Schietsrichter? Das Publikum? Die Wettkämpfer? Hat nicht Jeder eine ganz Andere Sicht auf den Ausgang eines Wettkampfes? Ist der Ausgang überhaupt wichtig für das Spiel? Ist es nicht das spielen an sich, warum die Kontrahänten überhaupt in dem Ring steigen? Die Freude am Spiel, an sich. Und nicht die Freude am Resultat. An der Bewertung.
Bewerten, tut immer Jemand Anderes. Wir werden kategorisiert, beschriftet und fein säuberlich in eine Schublade gepackt. Wenn man bei manchen Menschen in die Köpfe rein schauen könnte. Da würde man riesen große Beistell-Kommoden sehen. Dort haust eine Zettelwirtschaft schlecht hin. Diese ganzen Schränke. So hoch, das man, wenn man nach oben schaut, kein Ende erkennbar ist. Man bräuchte einen Fahrstuhl, um nach oben zu gelangen, wenn man etwas auf dem Beistelltisch ablegen wollte. Und unfassbar lange Leitern. Man müsste kleine Gasthöfe und Sitzbänke auf den Stufen der Leiter einrichten, damit man auf dem Weg nach oben nicht verhungert oder vor erschöpfung des langes Weges, einfach wieder wie eine Feder hin und her gleitent, hinunter segelt.
Immer wenn du Jemand geworden bist, hast du ein Stück deiner Selbst verloren. Denn immer, wenn du etwas werden musst, wirst du lediglich, von irgend Jemanden in eine dieser riesigen Nachttisch-Kommoden einsortiert. Sei es deine Geburtsurkunde, deine Seepferdchen Schwimmstufe, dein Abschlusszeugniss, deine Immatrikulationsbescheinigung, dein Ausbildungsvertrag, dein Arbeitsvertrag, deine Gewerbeanmeldung, dein Antrag auf Arbeitlosengeld, dein Rentenbescheid, deine Sterbeurkunde. Immer dann bist du etwas geworden: Mensch, Schwimmer, Student, Azubi, Arbeiter, Unternehmer, Arbeitsloser, Rentner, Leiche. Du hast direkt eine neue Identität angenommen. Doch, wenn du dieser Jemand bist, wer hat dann diese Idetität angenommen? Gibt es nicht etwas, was sich diese Identitäten überstülpen muss? Eine Art Avatar, der sich diese ganzen Kostüme anzieht. Die suche nach Identität führt uns unweigerlich immer an ein und die Selbe Stelle. Dort wo wir unsere Reise begonnen haben. Zu uns Selbst. Zu mir Selbst. Dem einen Sein, was Alles umfasst, in allem wohnt, von allem umrungen ist und doch gleichzeitig einfach nur Nichts ist.
Die Stille.
Diese Ruhe.
Kannst du sie hören?
Am Ende musstest du niemals etwas tun um Jemand zu sein.
Denn du bist.
Sein.
Die Frage nach dem: „Wer bin ich?“ hat sich damit erübrigt. Du bist halt einfach.
Ende.
Oder Anfang?